Die Geschichte der Kapelle

FRANCISCO CAPELLINI STECHINELLI, der Erbauer der Kapelle in Wieckenberg, kam im Jahre 1656 im Gefolge des Herzogs Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg zunächst als Page an den Hof nach Hannover.

Als Georg Wilhelm 1665 zur Herrschaft in Celle gelangte, nahm er ihn mit an den dortigen Hof. Der Herzog hatte STECHINELLI in Venedig kennengelernt und dieser war ihm, ein 15jähriger Bube, als Liebesbriefträger gefällig gewesen. Es wird auch erzählt, er habe dem Herzog den Anschlag eines Nebenbuhlers auf sein Leben, dessen Absprache er erlauscht habe, verraten und sei dafür vom Herzog hoch belohnt worden. Der Herzog hatte an dem Jungen großen Gefallen, weil er sich von lebhaftem und munterem Geist zeigte. Als STECHINELLI erwachsen war, übernahm er weitgehend die Handelsgeschäfte des Hofes. Er wurde Agent des Hofes und zum Drost ernannt. So kaufte er für den Hof Pferde, Wert- und Kunstgegenstände, Pflanzen, Weinreben im In- und Ausland, sorgte für die Überführung der Waren nach Celle und leistete die Zahlungen an die ausländischen Agenten. Da er in sei- nen Geschäften eine glückliche Hand hatte, übertrug der Herzog ihm unter anderem Privilegien des ausländischen Tuch- und Weinhandels.

Mit seinen großen Einnahmen erwarb STECHINELLI im Lauf der Zeit ein Vermögen, welches er in Grundstücken und Häusern anlegte. So besaß er in Celle Häuser am Großen Plan, in der Bahnhof- und Hannoverschen Straße, in Braunschweig eines am Altstädter Markt. An diesem Haus befindet sich eine Skulptur, die STECHINELLI als Bettelknaben in Venedig darstellt - mit dem Bettelhut in der Hand, mit dem er einst mal gekommen war, wie er selbst humorvoll gesagt haben soll.

Der Hut war das Zeichen im Wappen der Familie Capellini, die ursprünglich aus Rimini stammte und von der er sagte, sie sei von Adel. 1678 belehnten die Herzöge Georg Wilhelm von Celle, Ernst August von Hannover und Rudolf August von Braunschweig STECHINELLI mit dem Auftrag, das Postwesen in ihren Ländern einzurichten und verliehen ihm den Titel eines General-Erbpostmeisters, vergleichbar dem Amt der Fürsten Thurn und Taxis in Bayern. Zu diesem Zweck baute STECHINELLI an vielen Plätzen in den Herzogtümern Relaisstationen für den Pferdewechsel. So errichtete er an vielen Orten Posthäuser, unter anderem auch bei seinem adligen Gut Wieckenberg. Aber bereits nach vier Jahren verkaufte er 1682 mit außerordentlichem Gewinn das Privileg für 26.000 Reichsthaler mit Erlaubnis seines Landesherrn an den Frey- und Edlen Herrn Franz Ernst von Platen, nicht ohne sich zuvor eine Reihe von privaten Vergünstigungen im Postwesen auszubedingen. Das adlige Gut Wieckenberg jedoch verblieb in seinem Besitz. In den achtziger und neunziger Jahren erwarb er zahlreiche weitere Güter in den Herzogtümern. Auf einer alten Karte im Vestibül des Landesmuseums Hannover, die die Besitztümer der adligen Familien in den Herzogtümern verzeichnet, finden wir sein Wappen mit dem Hut an vielen Plätzen.

Als Eigentümer zahlreicher adliger Güter war STECHINELLI darauf bedacht, nun auch in den erblichen Grafenstand erhoben zu werden. Das Adelsdiplom erteilte ihm am 11. Juni 1688 Kaiser Leopold in Wien, wo es noch heute im Staatsarchiv aufbewahrt ist.

STECHINELLI war zweimal verheiratet. Als er noch am Hof in Hannover tätig war, ehelichte er eine Kammerfrau der Churfürstin Sophie. Sie hieß Marchand, war aus Heidelberg, wo sie wegen ihres reformierten Glaubens aus Frankreich vertrieben, Zuflucht gefunden hatte. Sie kam an den Hof nach Hannover und war eine Halbschwester des französischen Pfarrers dort am Hof.

Diese von STECHINELLI sehr geliebte Frau starb früh, er war so betrübt, dass er ihren Kopf präparieren lassen wollte, um sie stets bei sich zu haben. Der Kurfürstin gelang es, ihn von diesem Wunsch abzubringen.

Seine Trauer aber war nicht von langer Dauer. Im Jahr nach dem Tod der Marchand heiratete er "die edle Jungfer Breyger, Herrn Dr. Fürstl. Braunschw.-Lüneburgischen Hof-Raths eheliche Tochter". An der festlichen Hochzeitstafel nahmen seine fürstlichen Gönner Georg Wilhelm, Ernst August und der Fürst von Windisch-Grätz teil. Mit an der Hochzeitstafel saß auch sein bereits vierjähriges Kind mit der Jungfer Breyger.

STECHINELLI hatte aus bei den Ehen 13 Kinder, fünf aus der ersten und acht aus der zweiten Ehe. Während die erste Frau ein armes Kammermädchen gewesen war, brachte ihm die zweite Frau aus der vermögenden Celler Familie erheblichen Zuwachs an Vermögenswerten, so auch das noch heute bestehende stattliche Haus am Großen Plan in Celle. In diesem Haus hatte STECHINELLI als Katholik 1680 mit Erlaubnis des Herzogs eine kleine Kapelle eingerichtet, in der auch alle Katholiken aus der Stadt am Gottesdienst teilnehmen konnten.

Nachdem STECHINELLI sich in Wieckenberg die Gebäude des adligen Gutes als Sommersitz ausgebaut hatte, äußerte er den Wunsch, hier eine Kapelle zu errichten. Der Herzog stand seinem Wunsch nicht entgegen, aber der Bau sollte in ländlicher Bauweise errichtet werden und nicht eigentlich als Kirche in Erscheinung treten, da die Herzogtümer sich früh dem lutherischen Bekenntnis angeschlossen hatten.

Mit dem Bau der Kapelle wurde 1692 begonnen, aber schon 1694 starb STECHINELLI. Er wurde in der katholischen St. Magdalenen-Kirche in Hildesheim in einer Gruft unter dem Chor beigesetzt. Ein Gedenkstein, der auch seine zahlreichen Besitztitel nennt, steht noch heute neben dem Eingang der Kirche. Seine zweite Frau, die wie die erste protestantischen Glaubens war, hat dann den Bau der Kapelle fertigstellen lassen, sodass sie im Jahr 1699 evangelisch eingeweiht wurde.

Schon 1692 bei der Stiftung der Kapelle hatte STECHINELLI festgelegt, dass von der zuständigen ev.-luth. Parochie in Winsen/Aller einmal im Monat in der Kapelle Gottesdienst gehalten werden sollte. Seitdem wird diese Verordnung über bald 300 Jahre befolgt. Einmal im Monat wird in der Kapelle Gottesdienst vom Ev.- luth. Pfarramt in Wietze gehalten.

Nachdem das adlige Gut Wieckenberg, wie es damals hieß, schon in der nach STECHINELLI folgenden Generation verkauft worden war und seine Söhne in katholische Länder ausgewandert waren, verfielen die Gebäude mehr und mehr, weil die neuen Besitzer hier nicht mehr wohnten und die Ländereien an die hiesigen Bauern verpachtet waren. Von den Baulichkeiten sind nur der ehemalige Schafstall, das Eingangstor aus Sandstein, ein Verwalterhaus, das sogenannte "Junkernhaus" und ein mit zwei Säulen überbauter Brunnen erhalten, der lange Zeit im früheren Gutspark stand. 1996 ist der Brunnen an die Stechinellistraße umgesetzt worden, wo er nun besser von Besuchern wahrgenommen wird.

Im Gutspark ist noch die französische Anlage mit Alleen aus 300jährigen Eichen und Hainbuchen sowie die Anlage von Grachten zu erkennen, die früher von der Wietze geflutet wurden. An Stelle des Gutshauses und der Stallungen sind zu Beginn dieses Jahrhunderts Neubauten errichtet worden. Nur die Kapelle hat die Zeiten überdauert.

Barbara Schröder, Roderich Schröder Wieckenberg 1990